Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich noch nie so schwer getan habe wie dieses Jahr, eine – bzw. sogar zwei – definitve Top 10 zu erstellen. Und wie immer habe ich bestimmt wieder die Hälfte vergessen und entdecke einige der besten Platten und Songs von 2010 sowieso erst in zwei Monaten. Deshalb, wie immer, nur eine Momentaufnahme vom Abend des 19. Januar 2011. Morgen früh sieht es vielleicht schon wieder ganz anders aus.
Das sagt last.fm
Zahlen lügen bekanntlich nicht. Oder doch? Naja, die folgende Liste ist nicht 100%ig aussagekräftig, da unter anderem all die Lieder fehlen, die ich unterwegs1 oder bei meiner Freundin gehört habe. Und das waren mitunter mehr als zu Hause.2
- The New Pornographers (438 mal gespielt)
- The Rural Alberta Advantage (384 mal gespielt)
- The Indelicates (324 mal gespielt)
- Gramercy Riffs (245 mal gespielt)
- Katze (239 mal gespielt)
- Antitainment (193 mal gespielt)
- Emmy the Great (192 mal gespielt)
- Elsinore (178 mal gespielt)
- Titus Andronicus (167 mal gespielt)
- Dan Mangan (157 mal gespielt)
Entdeckung des Jahres
Ganz klare Entscheidung, alleine schon, weil mein meist gehörtes Album 2010 aufgrund seines Erscheinens im Vorjahr keine Chance in den Jahrescharts hat: The Rural Alberta Advantage ist meine wichtigste, beste und liebste Entdeckung 2010. Ein tolles erstes Album in 2009, ein wunderschönes Konzert in Berlin im Dezember 2010 und ein extrem vielversprechender Vorgeschmack auf das im März 2011 erscheinende zweite Album:
The Rural Alberta Advantage – Stamp
The Rural Alberta Advantage ist innerhalb dieses Jahres zu einer meiner absoluten Lieblingsbands geworden. (Danke, Thomas!)
Konzerte des Jahres
- Slow Club im Amp, Münster (3. März)
- The Divine Comedy auf der (Pop Up, UT Connewitz, Leipzig3 (8. Mai)
- The New Pornographers im Molotow, Hamburg (22. Mai)
- The Rural Alberta Advantage im Magnet, Berlin (3. Dezember)
- The Indelicates im Schlachthof, Wiesbaden (15. Dezember)
Insgesamt habe ich (wenn ich mich nicht verzählt habe) im Jahr 2010 108 Auftritte von 100 Bands auf 29 Konzerten und 5 Festivals live gesehen4, das aber nur am Rande für alle Statistik-Nerds. Der einzige konzertfreie Monat war bei mir der November.
Die anderen: Webseiten, Bücher und Popmusikartikel des Jahres
Meine liebsten Webseiten haben zum Großen Teil recht wenig mit Musik zu tun, ehrlich gesagt. Am ehesten vielleicht noch Hipster Hitler, mein Lieblings-Webcomic, der auch unseren Indie-Snobismus sehr schön persifliert. Außerdem großartig: cracked.com. Dort könnte ich mein halbes Leben lachend verbringen.
Anders bei den Büchern: Hier ist zumindest eines der drei besten ein Buch über Musik. Neben Kathrin Passigs und Aleks Scholz‘ „Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene“ und Sascha Lobos Debutroman „Strohfeuer“ war nämlich „Komm wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee“ großartig zu lesen. Unter anderem hier habe ich dazu mehr geschrieben.
Und trotzdem stammt mein Lieblingsmusikjournalismusartikel nicht aus Eric Pfeils Feder. Sondern von meinem anderen großen Lieblingsmusikprintjournalisten: Ladies and Gentlemen, Linus Volkmann in der intro mit einer Reportage über das Arbeiten im Plattenladen. Hört sich langweilig an, ist aber super.
Videos des Jahres
Das Musikfernsehen ist tot, allerspätestens seit Neujahr. Das kann man finden wie man will, aber Musikvideos werden heute nun einmal im Internet geschaut. Dort gibt es dafür unbegrenzte Möglichkeiten, die oft (aber nicht immer) auch noch viel einfacher und damit billiger zu realisieren sind. Meine drei nicht ganz alltäglichen Lieblingsvideos 2010 in zufälliger Reihenfolge:
1. Lustig und wahr: The Grand Spectacular – Being a dickhead’s cool
2. Live mit Landschaft: For a Minor Reflection – Dansi Dans
3. Technisch faszinierend: Arcade Fire – The Wilderness Downtown (We used to wait) (benötigt Google Chrome)
Ein traditionelles Video des Jahres kann ich nicht benennen, da ich viel zu wenige gesehen habe dieses Jahr.
Songs des Jahres
(In umgekehrter Reihenfolge)
10. Theophilus London – Humdrum Town
9. Broken Bells – The High Road
8. Jona Steinbach – Ein Tanz
Leider kein Video oder Stream. Aber das Waldhorn-Solo, das sollte man gehört haben!
7. The New Pornographers – Silver Jenny Dollar
6. Elias and the Wizzkids – Waste of Time
5. Hoodie Allen feat. Marina and the Diamonds – You are not a Robot
You Are Not A Robot by HoodieAllen
4. Sea Wolf – Dew in the Grass
3. Peer – Unter Strom
Leider kein Video oder Stream!
2. Angus & Julia Stone – Big Jet Plane
1. Teenage Fanclub – Baby Lee5
Alben des Jahres
Die Königsklasse im Jahresrückblick. Insbesondere dieses Jahr. Schließlich gab es jede Menge Alben, die knapp an den Top 10 vorbeigeschrammt sind (Spandau, Katze, Elias and the Wizzkids, The Gaslight Anthem, Dan Mangan, Sea Wolf, Marina and the Diamonds und Hoodie Allen zum Beispiel), Alben von Bands, die zwar gut, aber nicht so gut wie ihre Vorgänger sind (Herrenmagazin, Gisbert zu Knyphausen, Antitainment und Elsinore fallen mir da ein) und natürlich Alben, die bestimmt toll sind, die ich aber noch nicht oft genug gehört habe, um mir wirklich ein Urteil bilden zu können (Belle and Sebastian, Fran Healy und Sufjan Stevens). Und trotzdem bin ich irgendwie, irgendwo zufrieden mit meiner Liste.
Ach ja, Enttäuschungen gab es natürlich auch: Das neue (dritte, natürlich) Album der Shout out Louds war extrem langweilig, und mit Jens Friebes „Abändern“ konnte ich genauso wenig anfangen. Das gilt aber zum Beispiel auch für die völlig zu unrecht gehypten Soft Pack.
So, genug vorgeplänkelt, hier die Top 10 samt Cover, ggf. Link zum Weiterlesen und Tonbeispiel.
10. The Divine Comedy – Bang goes the Knighthood
Drei der großartigsten Popsongs des Jahres, die allesamt nur knapp den Einstieg in die Top 10 verpasst haben. Der Rest des Albums ist zwar auch nicht schlecht, stinkt aber gegen „I Like“, „Complete Banker“ und „At the Indie Disco“ ziemlich ab. (längere Rezi auf STUZ.de)
The Divine Comedy – At the Indie Disco
9. Gramercy Riffs – It’s Heartbreak
Eine der Entdeckungen des Jahres, folglich auch eines der Alben des Jahres. Tolle Popmusik aus Kanada. Von wo auch sonst? (längerer Artikel)
Gramercy Riffs – Call Me
8. Steve Cradock – The Kundalini Target
Britpop lebt! Und zwar in Person von Steve Cradock, dem ehemaligen Frontmann von Ocean Colour Scene. (längerer Artikel)
Steve Cradock – Beware of falling Rocks
7. Tocotronic – Schall und Wahn
Sie sind wieder da! Das beste Tocotronic-Album seit 1997. Habe ich eigentlich viel zu selten gehört, aber dann doch immer wieder hervorgekramt. (längere Rezi findet ihr in der STUZ #119)
Tocotronic – Die Folter endet nie
6. Peer – Wir sind Peer
Das beste Deutschsprachige Album dieses Jahr, gar keine Frage. Auch wenn der Vergleich dann irgendwo doch etwas hinkt, für mich irgendwo die deutschen Indelicates: Tolle Texte, die man sich am liebsten auf den gesamten Körper tätowieren würde, und mutmaßlich auch genauso sympathisch wie die Briten. (längere Rezi bei der STUZ)
Peer – Krise
5. The New Pornographers – Together
Immer noch eine meiner absoluten Lieblingsbands. Und 2010 kam endlich wieder ein neues Album raus, randvoll mit Balladen, Powerpop- und Rocksons, das ohne weiteres mit den vorherigen Alben der Band mithalten kann. (längere Rezi)
The New Pornographers – The Crash Years
4. Fyfe Dangerfield – Fly Yellow Moon
Ich bin ja bekanntlich ein großer Freund des Pathos. Gleichzeitig mag ich aber auch den stillen, schüchtern wirkenden Mann mit der Gitarre. Fyfe Dangerfield vereinigt beides und schafft so eine der perfektesten Pop-Platten des Jahres 2010.
Fyfe Dangerfield – Barricades
3. Get Cape. Wear Cape. Fly – Get Cape. Wear Cape. Fly
Die Mischung ist schwer zu beschreiben: Hier klingt mal Mike Skinner durch, dort ist nur Gitarre und sehr sehr leiser Gesang zu hören und zu manch anderer Stelle lässt sich vorzüglich tanzen. Sam Duckworth alias Get Cape. Wear Cape. Fly beweist mit seinem gleichnamigen Album, dass auch dritte Alben gut sein können. Auch wenn er einen kreativeren Albumtitel hätte wählen können…
Get Cape. Wear Cape. Fly – The Uprising
2. The Indelicates – Songs for Swinging Lovers
„Songs for Swinging Lovers“ habe ich ja schon direkt beim Erscheinen in höchsten Tönen gelobt. Danach habe ich es aber kaum noch gehört, ich hatte irgendwie keine Lust darauf, es zu hören. Seit ich es aber vor ein paar Wochen im Zuge der Erstellung dieser Liste mal wieder auflegte, bin ich vom Album wieder absolut überzeugt. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Songs sogar noch besser als auf dem ersten Indelicates-Album vor ein paar Jahren. (längere Rezi, Interview)
Mal abgesehen davon, dass die Indelicates selbst dann eine tolle Band wären, wenn sie schlechte Musik machen würden.
The Indelicates – Sympathy for the Devil
1. Titus Andronicus – The Monitor
Seit ich das Album vor ein paar Monaten entdeckt habe, frage ich mich, warum ich es so toll finde. Jeder, dem ich das Album bisher gezeigt habe und der meinen sonstigen Musikgeschmack kennt, schaute verwundert drein. Denn eigentlich ist das Album viel zu roh und rockig für mich. Aber vielleicht ist es gerade das, was ich dann doch irgendwie toll finde. Oder es ist der Fakt, dass sich das Album sehr gut zum Biertrinken eignet. Oder, dass es ein Konzeptalbum über den Bürgerkrieg ist. Oder alles zusammen. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: „The Monitor“ ist das Album des Jahres. Und zwar ganz ohne Frage.6
Titus Andronicus – Richard II
Und 2011?
Bands, die ich noch nicht kenne, kann ich natürlich nicht vorraussagen, gute Chancen auf einen Platz in einem ähnlichen Text wie dem hier in zwölf Monaten haben auf jeden Fall die Bright Eyes (neues Album im Februar), The Rural Alberta Advantage (März) und wieder die Indelicates (keine Ahnung wann). Ansonsten keine Ahnung, wer sonst noch so Alben rausbringen wird in 2011.
…und wenn ihr der gleichen oder einer völlig anderen meinung seid, dann schreibt das in die kommentare und füllt unseren wahlzettel aus.
- erst seit neuestem habe ich last.fm auch auf dem Handy installiert [↩]
- Deshalb fehlen zum Beispiel auch K.I.Z. [↩]
- also im schönsten Konzertclub Deutschlands! [↩]
- wobei da zum Teil auch schon Bands mitgezählt sind, bei denen ich mir nur wenige Songs angeschaut habe [↩]
- vielleicht nicht der beste, definitiv aber der am meisten gehörte Song 2010 [↩]
- Was ich aber am allerwenigsten verstehe ist, dass meine Lieblingsstelle auch noch ein Saxophon-Solo ist… [↩]
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