Zachary Lucky – ‚Back in the Fall‘ (Street Folk Session)
„Wo versteckt ihr euch eigentlich alle?“, hat mich mal ein Freund aus Kanada gefragt, als wir auf dem riesigen Southside-Festivalgelände saßen, „Wie viele seid ihr? Über achtzig Millionen? Jesus Christus, wie passen bei so einem kleinen Land denn noch so viele Felder dazwischen?“ Ja, für Kanadier sind Deutsche wahre Meister der Verhüllungskunst. Ihre Heimat ist 28 Mal so groß wie unsere und grade mal drei Menschen tummeln sich durchschnittlich auf einem Quadratkilometer, bei uns sind das – außerhalb von Festivals – immerhin 229.
Tja und diese drei kanadischen Hanseln sind für manche Regionen sogar noch relativ viele. So auch für die Heimatprovinz des besagten Freundes, wo nicht einmal zwei Menschen auf einen km² kommen. Er kommt aus Saskatchewan, der goldenen Mitte des Landes. Golden deshalb, weil es hier eigentlich nichts als Felder gibt. Zwischen den Ähren laufen eine Millionen Menschen herum – auf einer Fläche, die noch um einiges größer ist als Frankreich und die Schweiz zusammen – und die beschäftigen sich auch hauptsächlich mit Feldern. Man trägt Karohemd, man hört Country und studiert irgendetwas, das mit „Agrar-“ beginnt.
Ich wiederrum frage mich: redet man nicht über Saskatchewan, weil niemand gerne über Weizenmehl redet? Schon allein der Name ist doch echt prima! Er leitet sich vom Saskatchewan River ab, der in der Sprache der dortigen Ureinwohner Kisiskatchewani Sipi heißt – „schnell fließender Fluss“. Und von diesen Ureinwohnern gibt es in keiner kanadischen Provinz mehr. Aber gut, viel mehr gibt es vielleicht nicht zu sagen. Da haben die anderen Prärieprovinzen einfach mehr Gesprächsstoff zu bieten. Linkerhand Alberta (Öl, Geld, Arbeit, die Rocky Mountains) und rechterhand Manitoba (kältester Ort des Landes mit lustigem Namen – Winnipeg, kihihi -, die üble Geschichte über einen geköpften Mann im Greyhound-Bus und man ist dort schon fast in Ontario). Armes, vernachlässigtes Saskatchewan.
Vielleicht wird sich das aber bald ändern. Es gibt nämlich einen Menschen, der gerade als Botschafter für seine Heimatprovinz durchs Land tourt: der sympathische Singer/Songwriter Zachary Lucky.
Und was für ein klasse Botschafter er ist! Er liebt Saskatchewan so sehr, dass er der Region ein ganzes Album gewidmet hat. Neben dem Albumtitel tragen auch gleich zwei Lieder den Namen seiner Heimat. Und wagt er einmal den Blick über den Felderrand, geht es doch immer wieder nur um das nach Hause kommen, das er mit zart-kratziger Stimme und zurückhaltendem Gitarrenzupfen ehrt. Ja, man muss kein (Agrar-)Soziologe sein um zu erkennen, dass „Saskatchewan“ eine auf acht Lieder verteilte Ode für einen vernachlässigten Fleck Erde ist, dem Zachary all seine Inspiration zu verdanken hat. Die Vielfalt des letzten Albums („Come And Gone“, 2010) bietet die Anfang des Monats erschienene Platte zwar nicht, aber nach eigenen Aussagen wollte der Künstler einfach ein Album schaffen, „das zu jedem Getränk passt“ – und das tut es allemal. Ein klein wenig erwachsener klingt es auch, immerhin ist Zachary ja mittlerweile schon 23. Im Herbst kommt der nette Bart- und Karohemdträger voraussichtlich das erste Mal nach Europa.
Hoffentlich hat er keine Platzangst.
Anspieltipp: Across the Ocean (mit und ohne Weizenbier)
Alle Songs gibt es auf Bandcamp, dort kann die CD auch bestellt werden.
Zachary Lucky – Saskatchewan (2012, Selbstverlag)
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