Radiohead – A Reminder
Okay, ich gebe zu, auf den ersten Blick hat der obige Song, der auf der Radiohead-EP „Airbag / How Am I Driving?“ zu finden ist, erstmal nichts mit der Stadt Prag zu tun. Auch mir ist es früher natürlich nie aufgefallen, doch der Schlüssel liegt in den ersten 18 Sekunden. Denn wer genau hinhört, dem offenbaren sich nach und nach versteckte Verbindungen.
Am Anfang hört man eine scheppernde Frauenstimme. Es handelt sich dabei um eine Durchsage aus der Prager Metro, die an jeder Station ertönt: „Ukončete výstup a nástup, dveře se zavírají!“, zu deutsch: „Beenden Sie das Aus- und Einsteigen, die Türen schließen sich!“. Und dann, wenige Sekunden später: „Příští stanice: Jiřího z Poděbrad“. Das mag für die meisten Menschen nach den sprichwörtlichen böhmischen Dörfern klingen, doch als ich diese Worte vor gut zwei Wochen in dem obigen Song hörte, bekam ich eine Gänsehaut.
Denn die nächste Station, die da angekündigt wird – Jiřího z Poděbrad – ist die Station, an der ich aussteige, wenn ich zu meiner Wohnung hier in Prag laufe, in die ich vor kurzem einzog. Mein neues Zuhause, eingefangen in einem Radiohead-Song. Wow! Die Jungs von Radiohead sind ausgerechnet an meiner Metrostation vorbeigefahren und hatten ihr Aufnahmegerät dabei. Wenn das mal kein Omen ist. Und obwohl das Lied bereits im Jahr 1997 entstand, ist die Stimme aus der Metro auch heute noch exakt die Gleiche.
Der Name der Station leitet sich übrigens von dem böhmischen König Jiří z Poděbrad (deutsch: Georg von Podiebrad) ab, der im 15. Jahrhundert herrschte. Das war eine ziemlich wilde Zeit im heutigen Tschechien, geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hussiten (benannt nach dem christlichen Reformer Jan Hus). Georg von Podiebrad war der erste König in Europa, der dem katholischen Glauben abschwor und sich stattdessen zur hussitischen Konfession bekannte, weshalb er im Jahre 1466 vom damaligen Papst Paul II. exkommuniziert wurde. Für die Tschechen wurde der tapfer kämpfende Jiří z Poděbrad so zu einer historischen Identifikationsfigur und dementsprechend benannte man nach ihm einen Platz an der Grenze der Prager Stadtteile Vinohrady und Žižkov.
Wenn man die dort gelegene Metrostation verlässt, fallen gleich zwei eindrucksvolle Bauwerke ins Auge: Zum einen den Prager Fernsehturm, der hinter einigen Gebäuden in den Himmel ragt, und zum anderen die Kirche des Heiligen Herzens unseres Herrn:
Gerade diese monumentale und so modern anmutetende Kirche, gebaut zwischen 1928 und 1932 von dem slowenischen Architekten Jože Plečnik, verschlägt mir immer wieder den Atem.
Aber kommen wir nochmal zurück zu den Verbindungen zwischen Radiohead und Prag: Am 23. August 2009 spielte die Band dort eine Show, die sie von mehreren Fans im Publikum filmen ließ. Das Ergebnis davon kann man kostenlos herunterladen.1 Und überhaupt, wenn man mal darüber nachdenkt, passt Prag wirklich gut zur Musik von Radiohead: Diese verwinkelten Gassen, die labyrinthartige Architektur, dieses dunkle, aber doch zeitlos schöne Flair. Und Franz Kafka hätte der Pyramid Song sicherlich ausgezeichnet gefallen.
P.S.: Die Reaktion meiner Mitbewohnerin, als ich ihr von dem ominösen Radiohead-Song erzählte, war übrigens ein beherztes „Ty vole!“. Was das bedeutet, werde ich demnächst eventuell an anderer Stelle aufklären.
- A Reminder zählte jedoch nicht zur Setlist. [↩]
Tags: Radiohead
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