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Melt! 2010. Der Festivalbericht. Teil 1: Donnerstag & Freitag.

von | 26.Juli 2010

Es hat seine Zeit gedauert, bis dieser erste Teil des Melt!-Berichts fertig wurde. Über eine Woche sind wir schon wieder da. Aber so ein Festivalwochenende will ja auch reflektiert werden. Ob uns das gelungen ist, müsst aber wohl ihr entscheiden. Wie vor zwei Jahren gibt es das ganze wieder mehrfarbig.

Jonas schreibt in Blau, Matze in Rot.

Donnerstag

Von Bratze und Saalschutz habe ich jeweils nur ein paar Lieder mitbekommen, die zum locker Einraven schonmal ganz gut geeignet waren. Die richtige Abgehrakete zündeten aber erst Egotronic. Über die politische Einstellung der Band mag man sich streiten können, doch ihre Livequalitäten sind über jeden Zweifel erhaben. Den Abschluss des Abends übernahmen Frittenbude, und am Ende versammelte sich dann noch beinahe die ganze Audiolith-Posse (samt Scooter-Flagge) auf der Bühne.


Vor zwei Jahren war der Parkplatzrave mit fast exakt dem gleichen Line-Up noch /das/ Highlight des Festivals, diesmal war es auch nicht schlecht beim Pferdemarkt von Audiolith, aber eben auch nix besonderes. Vielleicht ist es nur die Arroganz des Musiknerds in mir, aber mir war das – wie so oft – alles etwas zu groß. Und wer bitte schön hatte die glorreiche Idee bei 38 Grad im Schatten ein Zelt aufzustellen, in dem es noch heißer ist und in dem nachts noch tropisches Klima herrschte, und dort Konzerte stattfinden zu lassen?

Aber genug gemeckert. Denn davon abgesehen haben alle drei Bands, die ich sah (bei Bratze war ich noch nicht da), das abgeliefert, was man gewohnt ist. Frittenbude, vor zwei Jahren noch die Band, die zuerst spielte, 2010 dann Headliner des Abends, spielte sich durch seine beiden Alben (und ein, zwei Remixe), Egotronic durch seine mittlerweile vier, die beste Band aus dem Audiolith-Umfeld ist und bleibt aber Saalschutz. Punkt.

Ich bin übrigens dafür, dass „Raven gegen Deutschland“ in „Spanien gegen Deutschland“ umgetauft wird („Wir haben euch was mitgebracht – eins zu null!“).


Freitag

Der Freitag begann für mich mit der Trash-Zirkus-Truppe Bonaparte. Die lieferten einen soliden Auftritt mit den inzwischen bekannten Tanz- und Kostümeinlagen. Es gab mal wieder viel nackte Haut, viele tanzbare Songs voller Parolen und auch ansonsten war alles auf wilde Party getrimmt. Aber irgendwie beschleicht einen so langsam das Gefühl, dass sich eine gewisse Routine in die Ausgelassenheit der Band eingeschlichen hat. Außerdem funktioniert die Show meiner Meinung nach besser in kleinen verschwitzten Clubs als auf großen Festivalbühnen.

Genau da muss ich Jonas Recht geben. Bonaparte war zwar eine der besten Bands auf dem Festival, aber sie passten irgendwie nicht so ganz hin. Weder auf die riesige Hauptbühne, noch in die knallende Sonne am späten Nachmittag. Irgendwo hab ich letztens auch gelesen, dass irgendwem Bonaparte mittlerweile zu perfekt durchchoreographiert spielen würden. Und auch das stimmt. Keine Frage, toll war auch der Auftritt auf dem Melt!, aber irgendwie fehlte ein ganz großes Stück Charme.


Nachdem mich dann die ersten paar Songs der Österreicher Ja, Panik nicht recht überzeugen konnten, schaute ich mir aus einiger Entfernung die Shout Out Louds an. Die Indie-Darlings haben mich irgendwie nie so richtig gepackt, und auch dem Auftritt würde ich eher das Prädikat „nett“ als die Auszeichnung „mitreißend“ anheften. Aber „Please Please Please“ ist schon ein wirklich toller Song, der sich gerade in der Abendsonne ausgesprochen gut macht.


Danach ging es zu Two Door Cinema Club auf der benachbarten Gemini Stage. Die Band zeigte schnell, dass sie den Status der beachtenswerten UK-Newcomer nicht zu unrecht trägt und machte auf der Bühne alles richtig. Nach gut 20 Minuten hatte ich allerdings genug von ihnen gehört und konnte so guten Gewissens zu dem heutigen Headliner aller indiestreber pilgern: Tocotronic.

Bei einer Band mit so vielen Alben und dementsprechend so vielen Songs, die man gerne live hören würde, ist gerade die Songauswahl immer ein entscheidender Faktor, ob man das Konzert nun geil oder scheiße findet. Los ging es mit einigen Liedern der aktuellen Platte „Schall und Wahn“, danach sprang die Band wild durch ihre gesamte Schaffenszeit, von absoluten Klassikern wie „Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit“ über Erwartbares wie „Aber hier leben, nein danke“ oder „Let there be rock“ bis hin zu Abseitigem wie „Am Ende des Kanals“.

Zwischendurch wurde sogar Drummer Arne Zank ans Mikro gelassen, um die beiden Anti-Gassenhauer „Ich werde nie mehr alleine sein“ und „Bitte gebt mir meinen Verstand zurück“ zu intonieren. Einzig von dem vorletzten Album „Kapitulation“ wurde überraschenderweise kein einziges Lied gespielt. Das Faszinierende dabei: Tocotronic hätten auch eine komplett andere Setlist spielen können, die genauso gepasst und den gleichen Effekt erzielt hätte.

Was gibt es sonst noch zu dem Auftritt zu sagen? Ja, Dirk von Lowtzow verhält sich auf der Bühne exaltiert und merkwürdig, aber wenn ihm das so gefällt, dann darf er das von mir aus gerne tun. Desweiteren ist mir zum ersten Mal so richtig klar geworden, wie sehr mich die frühen Songs von Tocotronic an die Zeit erinnern, als ich 17 war. Aber damit stehe ich garantiert nicht alleine da. Und wenn man die Jungs so auf der Bühne sieht, kann man sich gut vorstellen, wie sie auch mit Mitte 50 noch mit genauso viel Spaß und Eifer dort stehen werden – Sonic Youth grüßen von Ferne! Auf jeden Fall mein persönliches Highlight des Freitags.

Ich bin ja von uns beiden hier, das kann man wohl sagen, der größere Tocotronic-Fan. Deshalb war Reihe eins Ehrensache, obwohl ich eigentlich ja aus dem Alter raus bin, in dem mir so etwas wichtig war. Bei Tocotronic aber…

Mein gesamtes Umfeld war von dem Auftritt begeistert, und die Songauswahl fand auch ich großartig, gerade weil /nicht/ die großen „Hits“ (Freiburg, Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein et al.), aber auch nicht die allerabwegigsten Songs gespielt wurden. Und Arne Zank am Mikro war natürlich auch einmal was tolles.

Aber irgendwie hatte ich dann doch das Gefühl, Dirk von Lowtzow hatte einen Sonnenstich an diesem Tag. So gaga ist der doch sonst nicht, oder!? (Zumindest nicht in meiner Erinnerung an frühere Tocotronic-Auftritte.)

Aber wo wir schon am meckern sind: Mein größter Kritikpunkt am diesjährigen Festival ist eigentlich ein ganz kleiner. Es schien nämlich am Freitag schier unmöglich, irgendwo eine Running-Order aufzutreiben. Das war doch sonst nicht so. Und ich habe keine Lust, ständig zu irgendwelchen Aushängen zu laufen. Und ein iPhone für die ultimative Melt!-App habe ich nicht.

Sehr großartig waren danach auch Health im Intro Zelt. Die Band hatte mich ja bereits eine Woche zuvor beim Phono Pop schlichtweg umgehauen mit ihrer infernalischen Noise-Wand. Und auch der Auftritt auf dem Melt! war beeindruckend. Ich kenne keine andere Band, bei der Krach und Tanzbarkeit so nahe beieinander liegen.

Ich, der Melt!-Erfahrenere von uns beiden, nutzte die Zeit für etwas anderes: Für eine kurze Pause, um bis in den Morgen durchzuhalten. Sonst hätte ich mir aber Jónsi angeschaut. Der angeblich große Klasse war.

Anschließend waren The XX auf der Hauptbühne dran. Etwas verloren stehen sie da, die drei, während Lichter durch die Nacht zucken und für eine angemessene Atmosphäre sorgen. Ihre Songs klingen auch auf einer großen Bühne minimalistisch und so zerbrechlich, dass ich es beinahe schon als beklemmend empfinde. Auch nach dem Konzert ist das vorherrschendes Gefühl bei mir der Band gegenüber: Ratlosigkeit. Ich kann noch nicht mal genau sagen, ob ich sie mag oder nicht. Die ganz große Begeisterung, die viele ihnen entgegenbringen, kann ich jedenfalls nicht teilen, dafür ist mir die Musik einfach zu schläfrig und blutleer. Aber ich gespannt, wie es weiter gehen wird mit The XX.

Wieder auf dem Festivalgelände angekommen, ließ ich the XX the XX sein – gemocht hab ich die ja bekanntlich nie – und mir einmal genauer das Angebot des Festivalhauptsponsors angeschaut. Neben einer T-Shirt-Bedruck-Aktion gab es moderne Kunst zu sehen und ein Werbevideo wurde vorgestellt. Für das absolute Highlight des Firmenauftritts sorgte aber die Location: Alles war in und um einen der großen Bagger drapiert, von dem man einen großartigen Ausblick über das Festival hatte. (siehe Foto oben)

Bei den darauffolgenden Foals waren meine Beine dann bereits ziemlich schwer und der ganze Körper müde, was den Auftritt etwas getrübt hat. Ansonsten gab es daran nicht viel auszusetzen: Die Songs vom ersten und die vom zweiten Album klingen zwar ziemlich unterschiedlich, wurden aber in eine einigermaßen stringente Setlist gegossen. Und „Spanish Sahara“ ist auch ohne die nervösen Gitarren, für die die Band bekannt wurde, ein wirklich guter Song mit einem tollen Aufbau. Ich habe allerdings „The French Open“ vermisst – den stärksten Song live nicht zu spielen, so etwas dürfen doch eigentlich nur Radiohead.

Die Foals. Schon wieder so eine Band, über die vor ein paar Jahren jeder sprach. Dieses Jahr war es mit dem Erscheinen von „Total Life Forever“ dann wieder so weit. Aber ich finde das Album immer noch nicht gut – und bei näherem Hinsehen hat auch „Antidotes“ wenig mehr zu bieten als „Cassius“ und „The French Open“.

Kurz bevor Jonas nach dem Foals-Gig ins Bett Zelt ging, fing für mich Teil Zwei des Abends an: Der Elektroteil. Die oben angedeutete Foals-Erkenntnis spülte mich dann zu Kele, dessen Songs aber auch nicht bei mir zündeten. Genau wie bei The XX und dem neuen Foals-Album hatte ich das aber auch vorher schon aufgrund der jeweiligen Platten vermutet.

Richtig gut wurde es dann erst wieder bei Modeselektor. Die waren zwar als „vs. Bonaparte“ angekündigt, letztere waren aber nur für wenige Songs am Ende des Gigs zu sehen und hören. Macht nix. Es war trotzdem großartig. Und auf der unbestritten besten, schönsten und wundervollsten Festivalbühne der Melt!-Geschichte: Der Strandbühne. Dazu aber mehr im zweiten Teil unseres Berichts. Hier nur schonmal ein Tageslicht-Foto, das natürlich nicht beim Modeselektor-Gig entstanden ist:


Denn noch vor Ende des Gigs stand für mich ein weiterer Wechsel der Location an. Es ging zurück zur Gemini Stage, Danger und Kissy Sell Out angucken. Entschuldigt, dass ich mich im Elektro nicht so sehr zu hause fühle und nur sagen kann, dass es richtig Fett war. Im Sinne von Fetten Beats und auch im Sinne von „Großartig“. Ganz kurz war ich zwischendurch bei Ricardo Villalobos. Und eigentlich sollte hier auch noch was über Simian Mobile Disco stehen. Aber die habe ich dann irgendwie verschlafen. War ja auch schon wieder hell.

Fotos (bis auf Tocotronic): H. Stein


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ein kommentar zu “Melt! 2010. Der Festivalbericht. Teil 1: Donnerstag & Freitag.”

  1. juli meint:
    26.Juli 2010 at 10:57 pm

    eure melt-berichte sind wunderbar. freue mich auf teil 2!