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Eine musikalische Reise durch die zeit. Teil 78: our disgrace.
von fabi | 24.Mai 2010
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Pernice Brothers – Cronulla Breakdown
Sydney 2005. Eine Woche unter der Sonne. Durch den strandnahen Stadtteil Cronulla drängt sich ganz in mittelalterlicher lynchmanier ein in Badehosen gekleideter Mob. Mit australischen Fahnen und Bier bewaffnet, erinnert die grölende Zusammenkunft dieses proletarischen Haufens an ein Volksfest im Sommer. Doch hier wird nicht der Freude wegen gefeiert, sondern aufgrund von Rassenhass. Wenige Stunden zuvor war mutmaßlich ein Lifesaver am Strand Opfer eines Angriffes von Libanesen geworden. Dazu muss man wissen, dass ein Lifesaver in Australien den Status eines Halbgottes hat. Libanesen hingegen konnte man, sofern man das wollte, rund vier Jahre nach den Anschlägen vom 11. September schnell als Terroristen oder zumindest „Islamisten“ brandmarken. Die Jagd war eröffnet.
Was überraschte war nicht das spontane Zustandekommen einer Menge junger Australier an sich, sondern der rassistische Hintergrund der Zusammenrottung. Knapp dreißig Jahre nach Abschaffung der „White Australia Policy“ gilt das Land im 21. Jahrhundert vielen schließlich als Musterbeispiel für gelungene Integration und Multikulturalität. Doch im Dezember 2005 zeigte sich auch im sonnigen Down Under die hässliche Fratze von Rassismus und Nationalismus. „No Lebs!“ wurde da gerufen, die roten Köpfe nassgeschwitzt in die Höhe gereckt. Libanesen wurden von biertrunkenen Australiern zusammengeschlagen und Australier im Gegenzug von rachelüsternen Arabern niedergestochen.
„Our Disgrace“ titelte der Daily Telegraph schuldbewusst an einem heißen Dezembermorgen. „Cronulla Riot That Shames Australia’s Values“ war die Unterzeile. Tatsächlich fanden es ziemlich viele Australier nämlich ziemlich blöde, dass ihr entspanntes Image nun eventuell leiden könnte. Die Pernice Brothers aus dem fernen Massachusetts haben damit übrigens wahrscheinlich herzlich wenig zu tun. Aber: Sie haben einen Song mit dem Titel „Cronulla Breakdown“ geschrieben. Das war zwar wahrsagerische vier Jahre vor besagten Geschehnissen, doch der Song enthielt schon damals mehr Wahrheit, als den neuenglischen Jungs wohl bewusst war.
we tried so hard to make the worst of a bad situation
Der Trick, mit einer spezifischen Ortsbezeichnung Fans an eben jenem Ort zu gewinnen, zog anscheinend übrigens auch hier. „Cronulla Breakdown“, was auf der Tour-EP „Australia 2002“ erschien, fasste nämlich auch flott Fuß auf bekannten Aussie-Samplern wie etwa „Spunk“. Ein zeitloses Argument zum Hören gibt’s zum Schluß: Die Pernice Brothers machen einfach wundervoll entspannte Musik, die besonders hier nach der zweiten Hälfte von Foo Fighters‘ „In Your Honour“ klingt. Da heißt es Anlehnen und eben doch wieder in australischen Klischees verfallen: Surfen, Sonne, Surfen, Sonne, Surfen…
künstlerkollektiv: Pernice Brothers
file under: reise durch die zeit | Kommentare deaktiviert für Eine musikalische Reise durch die zeit. Teil 78: our disgrace.
kommentare verboten. was wir schreiben, stimmt auch.